Agilität, Scrum, Kanban & SAFe ... das sind nur einige der neuesten Schlagworte, die in den letzten Jahren durch alle Branchen gesickert zu sein scheinen. Während die einen diese Begriffe für einen kurzlebigen Modetrend halten, glauben andere, dass sie prägend für unsere zukünftige Arbeitsweise sein können. Was macht Agilität so besonders, dass es die Art und Weise, wie Menschen zusammenarbeiten, unabhängig von der Branche, prägen kann?
In einem früheren Blogartikel haben wir uns mit der Motivation hinter Agilität beschäftigt: Agilität ermöglicht es uns, den Fokus auf den (Kunden-)Wert („Customer Value“) zu wahren, während wir durch unsere VUCA-Welt navigieren. Tauchen wir nun tiefer in die Frage ein, was Agilität eigentlich ist.
Die Antwort ist simpel und braucht dennoch Zeit, um verinnerlicht zu werden: Agilität ist nicht nur eine Methode – es ist eine Denkweise („Mindset“) in Bezug auf Selbst- und Mitarbeiterführung.
Während eine Methodik eine Art und Weise ist, Dinge systematisch zu tun, ist unser Mindset eine Reihe von Annahmen, Überzeugungen und Einstellungen gegenüber uns selbst, anderen und der Welt. Unsere Denkweise selbst ist in unseren Werten verwurzelt. Mit anderen Worten: Was wir wertschätzen, prägt unsere Überzeugungen und unsere Weltanschauung.
– Unterscheidung zwischen Methodik, Denkweise und Werten
SAFe, das Scaled Agile Framework, kombiniert die Wertvorstellungen des Lean Manufacturing, die durch das House of Lean gut visualisiert werden, mit den Werten und Prinzipien des Agilen Manifests, und gelangt damit schließlich zum „Lean-Agile Mindset“. Das daraus resultierende Mindset ist zwar ein nützlicher Leitfaden, aber eher eine Sammlung von Prinzipien als von Werten. Deshalb möchten wir an dieser Stelle einen Schritt zurücktreten und einen Blick auf die Kernwerte und -einstellungen eines Agile Mindsets werfen. Mit anderen Worten: Welche Werte und Einstellungen sind die Voraussetzung dafür, sich selbst, Arbeit und Menschen so zu managen, dass der Wert für alle Beteiligten optimiert wird ?
Im Folgenden finden Sie eine umfassende Liste von Werten und Einstellungen, die grundlegend für das agile Mindset sind (im Gegensatz zu den Werten des traditionellen Wasserfallmanagements)*:
Diese Werte & Einstellungen sind die Essenz einer agilen Denkweise, die eine agile Kultur untermauert. Während die meisten Menschen zu denken scheinen, dass Agilität nur ein Oberbegriff für Rahmenwerke zur Wertschöpfung ist, die auf agilen Werten basieren, wie Scrum oder Kanban, verkörpert Agilität eigentlich dieses Mindset. Was es uns so schwer macht, den Unterschied zwischen agilem und traditionellem Management zu begreifen, ist die Tatsache, dass die agile Denkweise einen Paradigmenwechsel von der klassischen Logik des Top-down-Managements hin zu einer Logik erfordert, die Selbstorganisation und Vertrauen fördert. Mit anderen Worten: Bei Agilität geht es nicht nur darum, eine neue Methode einzuführen, sondern tatsächlich die zugrunde liegende Logik zu verändern. Diese Logik zu leben bedeutet, agil zu „sein“, und führt dazu, dass jeder Einzelne agil „handelt“, da jede Entscheidung, die wir treffen, auf unseren Werten (und kulturellen Normen) beruht.
Wenn Führungskräfte dies fördern (oder zumindest nicht behindern), entsteht eine agile Kultur, basierend auf der agilen Denkweise der Individuen. Es kann nicht genug betont werden, wie wichtig es ist, agil zu sein, aber es kann auch ein guter Anfang sein, agil zu handeln; Wie wir aus der Synergetik gelernt haben, können Makrophänomene (z.B. ein Team, das Scrum als Management-Framework verwendet) Mikrophänomene (z.B. unsere individuellen Denkweisen) beeinflussen und dadurch eine agile Kultur fördern. Die Nutzung einer agilen Methodik zur Förderung des agilen Mindsets bedeutet jedoch, dass wir uns ständig daran erinnern müssen, dass der Rahmen ein Mittel zum Zweck und nicht der Zweck selbst ist:
Ein agiles Rahmenwerk ist ein trojanisches Pferd, das darauf abzielt, das agile Mindset im Unternehmen einzuführen.
Auf der Grundlage eines Agilen Mindsets wurde 2001 das bereits erwähnte Agile Manifest entwickelt, das aus 12 Grundsätzen und 4 (so genannten) Werten besteht, auf die wir in künftigen Blogartikeln näher eingehen werden. Diese Prinzipien können als Handlungsaufforderungen in einem agilen Kontext interpretiert werden und die Werte beziehen sich auf einen Vergleich zwischen dem, worauf eine traditionelle und eine agile Organisation Wert legt. Ich persönlich finde es etwas verwirrend, dass die Entwickler des Agilen Manifests diese als Werte bezeichnet haben, denn Werte sind eigentlich etwas, das dem Mindset entspringt (siehe oben).
Da Agilität die Selbstorganisation begrüßt, ist die agile Führungskraft weniger ein traditioneller Manager als vielmehr ein Facilitator und Coach. Eine echte agile Führungskraft lebt und führt mit gutem Beispiel voran und fördert agile Werte. Zu Befähigung („Facilitation“) gehört es, den Mitarbeitenden die richtigen Fragen zu stellen, nachdem was diese brauchen, um ihre Arbeit effektiv zu erledigen. Eine agile Führungspersönlichkeit ist eine dienende Führungspersönlichkeit („Servant Leader“), die Partizipation ermöglicht und ihren Mitarbeitenden vertraut, dass sie ihre Arbeit mit Fokus auf Kundenwert und guter Qualität erledigen. Die Servant Leaderin befähigt und leitet an, ermöglicht Synergien und unterstützt die Beseitigung von Hindernissen.
Quelle: https://www.business-punk.com
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Wissensarbeiter („Knowledge Workers“) in der heutigen VUCA-Welt mit höherer Wahrscheinlichkeit effektiver einen Mehrwert für den Kunden schaffen können, wenn sie frei darin sind, ihre Arbeit selbst zu organisieren. Dies beinhaltet eine hierachie- und bürokratiefreie Kommunikation mit jenen Kolleg:Innen, zu welchen Abhängigkeiten in der Erfüllung der Aufgaben bestehen.
Agile Methoden wie Scrum sind keine Raketenwissenschaft, sondern simple Rahmenwerke, die auf eine Vielzahl von (Arbeits-)Kontexten anwendbar sind. Ihr Wesen liegt nicht so sehr in ihren Regeln, sondern eher in ihren grundlegenden Werten. Agilität ist ein Mindset, das ständig betont, den Schwerpunkt auf den Kundennutzen, die Motivation der Mitarbeitenden und das Alignment innerhalb der Organisationen zu legen. Es gibt viele Fallstudien, die belegen, dass agile Arbeitsweisen die Einnahmen des Unternehmens effektiv steigern. Obwohl die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass Agilität Ergebnisse wie höhere Umsätze, Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit liefert, kann Agilität angesichts der Natur unserer VUCA-Welt jedoch keine festen Versprechungen machen und keine Universallösungen bieten. Das agile Mindset ist allerdings die konstruktivste und effektivste Art und Weise, wie wir uns zusammen mit anderen Menschen organisieren können, um gemeinsame Ziele zu verfolgen.
Dieser Blogartikel basiert auf einem Artikel, den ich für meinen persönlichen & wissenschaftlichen Blog geschrieben habe.
* Diese Liste ist umfassend, aber erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie basiert auf Literatur über Motivation, Selbstorganisation, Ambiguitätstoleranz und Laloux' „Reinventing Organizations“. Darüber hinaus überschneiden sich die meisten der agilen Kernwerte mit den 5 Scrum-Werten und den 4 SAFe-Werten, die beide auf den agilen Werten aufbauende Rahmenwerke sind.
** Ein gutes Beispiel für die Anwendung einer systemischen Sichtweise auf ein kontroverses Thema ist dieses wissenschaftlich fundierte Video zum Klimawandel.